
Grübeln entlarven und lösen
- psychothergraz
- 22. Apr.
- 4 Min. Lesezeit

Grübeln oder Nachdenken?
Warum der Unterschied so wichtig ist – und was Sie tun können, wenn der Kopf nicht zur Ruhe kommt
Viele Menschen kennen das: Der Tag ist vorbei, endlich Ruhe – aber im Kopf geht es erst richtig los.
Ein Gespräch, ein Gedanke, ein Artikel – und plötzlich rattert es.
Ein Gedanke jagt den nächsten. Und obwohl man eigentlich nur nachdenken wollte, findet man sich wieder in einem Strudel aus Sorgen, Zweifeln und Was-wäre-wenns.
Was sich zunächst wie Nachdenken anfühlt, ist oft etwas anderes: Grübeln. Oder wissenschaftlich: Ruminieren.
---
Was ist Grübeln – und warum macht es so mürbe?
Grübeln ist kein bewusstes, lösungsorientiertes Nachdenken.
Es ist ein sich immer wiederholendes, oft automatisiertes Kreisen um belastende Gedanken. Je mehr man grübelt, desto schlechter wird oft die Stimmung. Die Gedanken wiederholen sich, die Anspannung steigt, der Körper reagiert. Am Ende bleibt häufig nur Erschöpfung.
Der Unterschied zwischen Grübeln und Nachdenken
Grübeln beginnt meist automatisch, unbewusst. Die Gedanken wiederholen sich, drehen sich im Kreis und führen selten zu einer Lösung. Grübeln fühlt sich schwer an, kostet Energie und kann Ängste oder depressive Stimmung verstärken.
Nachdenken dagegen ist bewusst und zielgerichtet. Es dient dazu, Dinge zu ordnen, Lösungen zu finden und Klarheit zu gewinnen. Nachdenken kann entlasten und neue Perspektiven eröffnen.
---
Ruminieren – der ewig gleiche Brei
Der Begriff Ruminieren stammt aus dem Lateinischen und bedeutet: wiederkäuen. Wie bei einer Kuh. Nur dass hier keine Nahrung, sondern Gedanken immer wieder hochkommen. Mit jedem Durchgang wird dieser mentale „Brei“ nicht besser – sondern schwerer.
Typische Gedanken:
„Was, wenn ich krank werde?“
„Warum habe ich das gesagt?“
„Was passiert mit meinem Kind, wenn ich ausfalle?“
Man findet sich in einem Gedankenkreislauf wieder – ohne Ziel, ohne Ergebnis, ohne Entlastung.
---
Grübeln zieht in zwei Richtungen:
Nach hinten: Warum ist das passiert? Was hätte ich anders machen sollen? → oft verbunden mit Selbstvorwürfen, Schuldgefühlen, depressiver Stimmung.
Nach vorn: Was, wenn etwas passiert? Was, wenn ich nicht mehr da bin? → erzeugt Anspannung, Unsicherheit, Angst.
Wie Teismann & Forkmann (2020) schreiben:
> „Grübeln ist eine zentrale, aufrechterhaltende Denkweise bei Depressionen (aber auch Angst). Es verstärkt negative Stimmungen, verhindert Problemlösung und blockiert gesunde Verhaltensaktivierung.“
(Teismann & Forkmann, 2020, S. 88)
Wenn das Grübeln zu viel wird – ein Beispiel
Sie lesen von einer Mutter, die plötzlich schwer erkrankt ist. Sie fühlen Mitgefühl – und dann beginnt das Kopfkino: „Was, wenn das auch mir passiert? Was ist mit meinem Kind? Was, wenn ich nicht gesund bin?“
Aus einem Moment der Betroffenheit wird ein Abend voller kreisender Gedanken.
Der Affe im Kopf – ein Achtsamkeitsbild
In der Achtsamkeit ist oft vom „Monkey Mind“ die Rede – einem Geist, der unruhig von Ast zu Ast springt: von Schuld zu Sorge, von gestern nach morgen, ohne je im Jetzt zu verweilen.
Was tun mit diesen wilden Affen?
Sie bekämpfen? Das macht sie nur wilder.
Mit ihnen mitspringen? Dann verlieren wir uns völlig.
Sich von ihnen anleiten lassen? Dann leben sie unser Leben.
Die Einladung ist eine andere: Sich auf eine innere Parkbank setzen – und zusehen. „Ah, da sind sie wieder. Die Affen, die sich sorgen, grübeln, kontrollieren wollen.“
Nicht eingreifen. Nicht festhalten. Nur beobachten. Und spüren: Ich bin mehr als dieses Treiben im Geäst.
Mit der Zeit wird es stiller im Geäst – nicht weil wir den Affen besiegt haben, sondern weil wir aufgehört haben, ihm zu folgen.
Die Achtsamkeit nutzt ein kraftvolles Bild: Unser Geist ist wie ein Affe, der von Ast zu Ast springt. Von Gestern zu Morgen, von Schuld zu Sorge.
Achtsamkeit bedeutet: Beobachten – nicht aufspringen. Sanft, aber bewusst zurück ins Jetzt kommen.
Was hilft? Drei Wege aus der Grübelfalle mit denen wir hier in der Praxis arbeiten.
Verhaltenstherapie
Hilft dabei, automatische Gedankenmuster zu erkennen und gezielt zu verändern. Dabei kommen auch bewährte Methoden wie der Grübelstopp oder der Grübelaufschub zum Einsatz – beispielsweise über einen "Grübelstuhl" oder ein festgelegtes Grübelfenster, um das Gedankenkarussell nicht ständig drehen zu lassen.
Grübeln erkennen und unterbrechen
Ängste konfrontieren statt vermeiden
Werte- und lösungsorientiertes Handeln stärken
„Angst-zu-Ende-Denken“
Letzteres hilft, Katastrophengedanken bewusst zu Ende zu führen – bis zur realistischen Einschätzung: Was wäre dann wirklich? Was könnte ich tun? – statt in der vagen Bedrohung stecken zu bleiben.
Ein Beispiel:
Der Gedanke „Was, wenn ich plötzlich schwer krank werde?“ wird nicht weggeschoben, sondern aktiv weitergedacht.
Was wäre tatsächlich der nächste Schritt? Ärztliche Abklärung? Unterstützung durch Familie? Medizinische Behandlung?
Oft zeigt sich dabei: Auch im Worst Case gäbe es Handlungsspielraum, Unterstützung, Optionen.
Dadurch verliert die Angst an diffuser Macht und wird greifbarer – und damit bewältigbarer.
Metakognitive Therapie
Legt den Fokus nicht auf den Inhalt, sondern auf den Umgang mit Gedanken.
"Glauben Sie nicht alles was Sie denken"
Grübelschleifen entlarven
Aufmerksamkeit bewusst umlenken
Distanz zu belastenden Gedanken gewinnen
Achtsamkeit
Fördert eine offene, nicht bewertende Haltung gegenüber inneren Vorgängen.
Es löst eine Verbindung zwischen Reu und Reaktion. Wir lernen zu beobachten ohne gleich (innerlich) zu reagieren. So lösen die Gedanken keine Grübelkreise mehr aus, due davor zum stundenlangen grübel eingeladen hätten.
Hier und Jetzt wahrnehmen
Akzeptieren statt kontrollieren
Gelassenheit im Moment finden
---
Literaturtipps:
Teismann, T., & Forkmann, T. (2020). Psychotherapie der Depression: Ein transdiagnostischer und integrativer Ansatz. Beltz.
Fazit
Grübeln ist kein Zeichen von Schwäche – sondern ein häufiges Muster, das viele Menschen betrifft. Aber es lässt sich verändern. Nicht durch Kampf – sondern durch Bewusstheit, Haltung und neue Strategien.
Sie müssen nicht jedem Gedanken folgen. Und Sie dürfen lernen, das Gedankenkarussell zu stoppen.
Manche Gedanken dürfen einfach weiterziehen. Damit mehr Platz ist für das, was wirklich zählt:
Ihr Atem.
Ihr Leben.
Ihr Jetzt.
Wenn Sie sich Unterstützung beim Umgang mit belastenden Gedanken wünschen, begleiten wir Sie gerne ein Stück.
Comments