Inmitten von hohen Ansprüchen, widersprüchlichen Erwartungen und idealisierten Bildern, wie Eltern sein sollten, fühlen sich viele Mütter und Väter oft überfordert. Zwischen dem Wunsch, perfekte Eltern zu sein, und den eigenen Werten und Erfahrungen entsteht ein Spannungsfeld, das schwer auszubalancieren ist. Dabei dürfen wir uns eines immer wieder vor Augen führen: Kinder brauchen keine Perfektion. Sie brauchen Liebe, Sicherheit und Freiräume – und Eltern, die bereit sind, immer wieder neu zu lernen.
Maslow und die psychischen Grundbedürfnisse
Die Bedürfnispyramide von Maslow gliedert menschliche Bedürfnisse in verschiedene Ebenen. Zu den wichtigsten Grundlagen gehören:
Physiologische Bedürfnisse wie Nahrung, Wasser und Schlaf.
Sicherheitsbedürfnisse, die Stabilität und Schutz garantieren.
Soziale Bedürfnisse, wie Liebe, Bindung und Gemeinschaft.
Individualbedürfnisse, wie Wertschätzung und Anerkennung.
Selbstverwirklichung, die das volle Ausschöpfen des eigenen Potentials ermöglicht.
Für Kinder spielen vor allem die Ebenen der Sicherheit und sozialen Bindung eine zentrale Rolle. Doch wie wirken diese Grundbedürfnisse in der schematherapeutischen Perspektive?
Die fünf psychischen Grundbedürfnisse aus schematherapeutischer Sicht
Neben den Grundbedürfnissen ist es wichtig, die Basisemotionen zu verstehen, die Kinder und Erwachsene prägen. Nach der Schematherapie gehören dazu Freude, Traurigkeit, Wut, Angst, Ekel und Scham. Diese Emotionen begleiten uns ein Leben lang und sind zentrale Bausteine unseres emotionalen Erlebens. Kinder lernen erst nach und nach, mit diesen Gefühlen umzugehen, und sind dabei auf die liebevolle Unterstützung ihrer Eltern angewiesen. Wenn diese Basisemotionen angenommen und verstanden werden, entwickelt sich ein gesundes emotionales Gleichgewicht.
Kinder brauchen mehr als nur Nahrung und Schutz, um gesund aufzuwachsen. Die Schematherapie hebt fünf psychische Grundbedürfnisse hervor, die entscheidend für eine gesunde emotionale Entwicklung sind:
Bindung: Kinder benötigen eine stabile und sichere emotionale Beziehung zu ihren Bezugspersonen. Bindung bedeutet, dass sie sich verstanden, wertgeschätzt und bedingungslos angenommen fühlen. Diese Sicherheit gibt ihnen die emotionale Grundlage, Vertrauen in andere und in sich selbst zu entwickeln. Kinder dürfen ihre Emotionen zeigen – ob Freude, Traurigkeit oder Wut – und spüren, dass sie trotzdem geliebt werden.
Kinder dürfen ihre Emotionen zeigen – ob Freude, Traurigkeit oder Wut – und spüren, dass sie trotzdem geliebt werden.
Für dein inneres Kind gilt: **Du bist liebenswert, so wie du bist **Du bist sicher, ich bin da. Deine Gefühle verdienen Raum und Annahme.. **
Autonomie: Der Wunsch, eigenständig zu handeln, ist ein zentraler Teil der kindlichen Entwicklung. Autonomie bedeutet, dass Kinder die Freiheit haben, ihre Fähigkeiten auszuprobieren, ihre Umgebung zu erkunden und eigene Entscheidungen zu treffen. Dies fördert ihr Selbstbewusstsein und ihre Unabhängigkeit. Kinder dürfen Fehler machen, Dinge anders sehen als ihre Eltern und eigene Wege ausprobieren – auch wenn sie dabei scheitern.
Für dein inneres Kind gilt: Du darfst eigene Entscheidungen treffen und neue Wege gehen. Es ist okay, dabei auch einmal zu scheitern.
Selbstwert: Anerkennung und Wertschätzung spielen eine entscheidende Rolle für das kindliche Selbstbild. Kinder, deren Leistungen und Emotionen ernst genommen werden, entwickeln das Gefühl, wertvoll und bedeutungsvoll zu sein. Sie lernen, stolz auf sich zu sein und Herausforderungen zu meistern. Kinder brauchen den Spiegel ihrer Eltern, um ihren Wert zu erkennen. Ein Mangel an Lob und Wertschätzung kann dieses Grundbedürfnis verletzen und langfristig das Selbstbild schwächen.
Für dein inneres Kind gilt: Du wurdest schon wertvoll geboren. Dein Wert hängt nicht von dem ab, was du leistest.
Realistische Grenzen: Kinder brauchen klare, aber liebevolle Regeln, die ihnen Orientierung und Sicherheit geben. Grenzen helfen ihnen, die Konsequenzen ihres Handelns zu verstehen und ein gesundes Verantwortungsgefühl zu entwickeln. Gleichzeitig fördern Grenzen auch die Selbstregulation. Kinder dürfen frustriert werden, um zu lernen, mit Enttäuschungen umzugehen und ihre Gefühle zu regulieren. Diese Erfahrungen sind wichtig, um ihre emotionale Stabilität zu stärken.
Für dein inneres Kind gilt: Es ist in Ordnung, nicht alles zu bekommen, was du dir wünschst. Grenzen bedeuten Schutz, nicht Ablehnung.
Spiel und Freude: Kreatives Spiel, Spaß und unbeschwerte Momente sind essenziell für die emotionale Balance von Kindern. Dabei dürfen Kinder spontan sein, blödeln und ihrer Fantasie freien Lauf lassen. Sie müssen nicht immer „passend“ oder „sinnvoll“ spielen. Kinder dürfen einfach Kind sein, ohne Erwartungen erfüllen zu müssen. Solche Momente fördern ihre soziale Kompetenz, Resilienz und die Fähigkeit, mit Stress umzugehen.
Für dein inneres Kind gilt: Du darfst spielen, träumen und dich freuen – einfach, weil es schön ist - auch wenn noch nicht alles erledigt ist.
Die Balance zwischen Bindung und Autonomie
Die Balance zwischen Bindung und Autonomie ist ein zentrales Thema in der Entwicklung von Kindern. Manchmal sind wir mehr auf dem einen, manchmal mehr auf dem anderen Bein unterwegs. Richtig stabil stehen wir, wenn wir auf beiden Beinen stehen.
Laut Rödinger zeigt sich immer wieder, dass Eltern unbewusst in Extremen handeln, die ihre eigenen ungelösten Erfahrungen widerspiegeln:
Bindung fördern: Bindung ist essenziell, damit Kinder Vertrauen und emotionale Sicherheit entwickeln können. Sie lernen, dass sie sich auf ihre Bezugspersonen verlassen können und ihre Bedürfnisse ernst genommen werden.
Autonomie respektieren: Gleichzeitig ist es wichtig, dass Kinder die Freiheit haben, eigenständig Entscheidungen zu treffen und ihre Umgebung zu erkunden. Dies stärkt ihre Unabhängigkeit und ihr Selbstbewusstsein.
Wenn Eltern die Balance nicht finden, kann dies dazu führen, dass Kinder entweder überbehütet werden (was ihre Autonomie einschränkt) oder zu früh auf sich selbst gestellt sind (was ihre Bindungsbedürfnisse unerfüllt lässt).
Wie alte Muster unsere Elternschaft beeinflussen
Manchmal merken wir als Eltern, dass wir anders reagieren, als wir es eigentlich möchten. Vielleicht setzen wir strenge Regeln durch, obwohl wir uns wünschen, gelassener zu sein. Oder wir lassen uns auf Diskussionen ein, obwohl wir klare Grenzen setzen wollten. Oft sind es alte Muster, die uns leiten – geprägt von unserer eigenen Kindheit.
Vielleicht wurde von uns viel verlangt, sodass wir unbewusst Perfektionismus weitergeben. Vielleicht hatten wir das Gefühl, allein zurechtkommen zu müssen, und tun uns heute schwer, unseren Kindern Freiräume zu lassen. Solche Muster sind nicht einfach „schlecht“, sondern entstanden, um uns selbst zu schützen. Sie zu erkennen, kann ein erster Schritt sein, bewusstere Entscheidungen zu treffen.
Wie Schematherapie helfen kann
Die Schematherapie bietet Ansätze, um alte Muster zu erkennen und zu verändern. Sie unterstützt Eltern dabei, bewusster auf die Bedürfnisse ihrer Kinder einzugehen:
Eigene Schemata erkennen: Welche Emotionen und Verhaltensmuster prägen Ihre Elternrolle? Wo machen Sie sich Druck? Wo entsteht Wut? Wo handeln sie aus diesen alten Gefühlen heraus?
Das eigene innere Kind beruhigen: Indem Eltern ihre eigenen emotionalen Verletzungen erkennen, können sie gelassener auf die Bedürfnisse ihrer Kinder reagieren.
Das äußere Kind verstehen: Wie gebe ich meinem Kind das Gefühl verstanden und angenommen zu sein. Wie kann ich kommunizieren um Widerständen zu lösen statt sie zu fördern? Was will die Wut meines Kinders mit sagen?
Neue Verhaltensweisen entwickeln: Liebevolle Bindung und die Förderung von Autonomie bewusst in Einklang bringen.
Wie Verhaltenstherapie helfen kann
Die Verhaltenstherapie bietet Ansätze, um Bewertungen zu erkennen, das eigene Verhalten zu reflektieren sich selbst und Kindern Struktur und Empathie entgegenzubringen. Sie unterstützt Eltern dabei, bewusster auf die Bedürfnisse ihrer Kinder einzugehen:
Eigene Bewertungen erkennen: Welche Glaubenssätze und Verhaltensmuster prägen Ihre Elternrolle? Zum Beispiel: „Ich muss perfekt sein“ oder „Mein Kind muss alles richtig machen.“
Entwicklung verstehen: Kinder müssen vieles lernen aber müssen nicht alles schon können. Kann mein Kind schon Planen und logisch denken und "provozieren"? Warum lacht mein Kind wenn ich schimpfe? Ist mein Kind schlimm komisch, außerhalb der Norm? Wie gehe ich mit meinem Kind um? Was heißt mein Kind spiegelt mich?
Struktur einfügen: Kinder brauchen einen Sicheren Rahmen der aber nicht steif ist. Manche Dinge lassen sich einfacher lösen als man denkt. Manche dürfen bleiben. So kann ich einem Kind dass Zeit noch nicht verstehen und erfassen kann Struktur über Lieder geben, In der Früh nach dem Frühstück kommt das Zähneputzen Lied, das Anziehlied und das Haare kämmen Lied.
Ein liebevoller Blick auf sich selbst
Eltern zu sein, ist eine Herausforderung – und niemand ist perfekt. Entscheidend ist, dass Sie sich selbst mit Mitgefühl begegnen und sich erlauben, Fehler zu machen. Kinder brauchen keine perfekten Eltern. Sie brauchen Menschen, die bereit sind, an sich zu arbeiten, alte Verletzungen zu heilen und auf die individuellen Bedürfnisse ihres Kindes einzugehen.
Die Arbeit an sich selbst kann nicht nur Ihre Beziehung zu Ihrem Kind verbessern, sondern auch eine tiefgreifende Heilung für Sie selbst ermöglichen. Ein bewusster Umgang mit den psychischen Grundbedürfnissen Ihrer Kinder schafft die Grundlage für eine starke, liebevolle und vertrauensvolle Beziehung.
(c) Angelika Ferk, 2025

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